Reisebericht
Mein Bruder Simon und ich bereisten im Sommer 2012 den Rhein von der Quelle bis zur Mündung.
Von der Quelle bis nach Landquart zu Fuss und ab Landquart auf dem Kajak.
Da Simon arbeitsbedingt nicht genügend Ferien hatte für die gesamte Reise, habe ich die Wanderung und Kajakfahrt bis Schaffausen
allein gemacht und er stiess er am Rheinfall dazu.
Surselva
Am 1. Juni 2012 sollte unsere Expedition des Rheins an der Quelle am Tomasee im Kanton Graubünden beginnen.
Der Tomasee liegt eine ca. 1.5 stündige Wanderung von der Passhöhe des Oberalppasses entfernt, konnte jedoch am 1. Juni nicht
zu Fuss erreicht werden wegen dem verbleibenden Schnee. Das steile Gelände konnte unter diesen Bedingungen nicht begangen werden,
Winterbergausrüstung wäre nötig gewesen und GPS um den Pfad zu finden, da alles unter einer dicken Schneedecke lag. Die Wanderung
startete deshalb am Oberalppass anstelle des Tomasees, und der Aufstieg zum Tomasee wurde später im selben Sommer nachgeholt.
Der Vorderhein, anfangs ein kleiner Bach, wächst im Surselvatal durch seine zahlreichen Zuflüsse zu einem Wildwasserfluss an.
Mit Wildwasserausrüstung wäre der Vorderrhein ab Ilanz befahrbar, doch um die aufblasbaren Kajaks zu schonen und das zahlreiche Umtragen
zu vermeiden wurde die Reise zu Fuss fortgesetzt bis nach Landquart und erst dort im breiteren Alpenrhein eingewassert.
Alpenrhein
Vorder- und Hinterrhein fliessen bei Reichenau-Tamins zusammen und bilden den Alpenrhein.
Von dieser Stelle ist der Fluss ohne Wildwasserbedingungen befahrbar. Allerdings stellt sich noch das Elektrizitätskraftwerk Reichenau in den Weg,
weshalb bis zu diesem Kraftwerk Fahrverbot herrscht. Die erste gute Möglichkeit für die Einwasserung bietet sich beim TCS Campingplatz in Chur.
Wir haben jedoch als Einwasserstelle die nächstfolgende Stadt Landquart gewählt, um noch einige kritische Stromschnellen zwischen Chur und
Landquart zu vermeiden. In Landquart an der Tardisbrücke endete der Fussmarsch und nach ein paar Tagen Pause daheim kam das Kajak zum Einsatz.
Der Alpenrhein ist grossteils kanalisiert und fliesst meist der Autobahn entlang.
Bis auf die Aussicht auf den Säntis und ein paar andere Berge bietet der Alpenrhein nicht viel Spektakuläres.
Wegen den beidseitigen Dämmen sind die anliegenden Dörfer praktisch nicht zu sehen. Die Wassermenge im Alpenrhein hängt stark von den
Wetterverhältnissen im Kanton Graubünden ab. Bei niedrigem Wasserstand muss an einigen Stromschnellen mühsam umgetragen werden.
Nach starken Regenfällen verwandelt sich der Alpenrhein jedoch zu einem reissenden, braunen Fluss.
Ein Abwarten auf eine geeignete, relativ hohe Wassermenge ist ratsam, da man dann bequem über manche Stromschnelle hinabfahren kann.
Die Fliessgeschwindigkeit des Alpenrheins ist sehr schnell und deshalb lässt sich der Alpenrhein problemlos in einem Tag bewältigen.
Vor der Einmündung in den Bodensee kann ins alte Rheinbett umgetragen werden. Die Kanalwände und die relativ weite Umtragedistanz sind
aber sehr mühsam. Es ist daher einfacher, auf dem fliessenden Gewässer zu bleiben bis in den Bodensee. Die Einmündung in den Bodensee
ist von kilometerlangen Dämmen umgeben, auf den letzten Kilometern muss daher etwas mit dem Paddel nachgeholfen werden um den See
in vernünftiger Zeit zu erreichen.
Bodensee
Die Durchquerung des Bodensees auf dem Kajak ist etwa 60 Kilometer und erfordert ein paar Tage Paddelarbeit.
Wegen der Breite und Tiefe des Sees hilft die Rheinströmung in keiner Weise. Aufs Wetter muss hingegen geachtet werden, denn bei
Westwind und Wellengang kann diese Etappe zu einer Tortur werden. Am besten sind windstille Tage, an denen der See spiegelglatt ist.
Die Grösse des Bodensees ist nicht zu unterschätzen und es ist ratsam, sich immer in der nähe des (Schweizer) Ufers aufzuhalten.
Einkäufe und Landgänge sind problemlos möglich, allerdings kann man nicht frei campieren da das Ufer stark bebaut ist. Campingplätze sind
vorhanden. In Konstanz beginnt die offizielle Kilometrierung des Rheins (Rheinkilometer 0). Anschliessend folgt der Seerhein, das
schmale Stück zwischen dem Ober- und Untersee. Die Fliessgeschwindigkeit im Seerhein ist langsam und verschwindet sobald sich der Seerhein
zum Untersee hin öffnet.
Hochrhein
In Stein am Rheim, am westlichen Ende des Bodensees (Untersee) beginnt der Hochrhein.
In Schaffhausen muss vor der Schifflände ausgewassert werden, da auf dem darauffolgenden Streckenabschnitt (Elektrizitätskraftwerk und Rheinfall)
Fahrverbot herrscht. Die Umtragestrecke zum Rheinfallbecken ist ca. 4 km lang und führt duch Stadtgebiet, was das Umtragen sehr mühsam macht.
Wir hatten den Vorteil, dass wir in der Region wohen und unsere Eltern mit dem Auto bereitstanden. Die Fliessgeschwindigkeit im Hochrein ist
schnell, allerdings ist der Fluss vestellt mit zahlreichen Elektrizitätskraftwerken, deren Stauwehre die Anfahrt verlangsamen.
Die meisten Staustufen sind relativ einfach zu umtragen, einige stellen sogar werkseigene Bootswagen zur Verfügung. Einkaufsmöglichkeiten
und Campingplätze sind genügend vorhanden. Wanderfahrten auf diesem Flussabschnitt sind sehr zu empfehlen, allerdings sollte man sich das Umtragen
einfach machen (kein Gepäck oder evtl. eigener Wagen), da sonst die Umtragung der Staustufen etwas kräfteraubend sein kann.
Oberrhein
Nach Basel verlässt der Rhein die Schweiz und ist grossteils kanalisiert (Rhein-Elsass Kanal). Das alte Rheinbett
kann befahren werden, Umtragen ist aber erforderlich. Bei hohem Wasserstand des Rheins wird der gesamte Wasserüberschuss in den Altrhein
abgegeben. Dann fliesst der Altrhein sehr schnell und einige Stromschnellen können problemlos überfahren werden. Bei wenig Wasser ist
die Befahrung des Altrheins etwas mühsamer. Die Schiffahrtskanäle dürfen von Freizeitbooten wie Kajaks befahren werden, die Fliessgeschwindigkeit
lässt aber etwas zu wünschen übrig. Es stellt sich also die Frage, ob man auf dem Kanal oder im Altrhein fahren will.
Wir sind nach Basel in den Schiffahrtskanal zur Kembs-Schleuse gefahren. Dort angekommen hat man uns geraten, in den Altrhein umzutragen
da dieser zur Zeit viel Wasser hatte und deshalb eine viel höhere Fliessgeschwindigkeit hatte als der Kanal. So trugen wir unsere Boote und
Gepäck ca. 500 Meter um durch den Wald zum Altrhein. So konnten wir die höhere Fliessgeschwindigkeit ausnutzen und haben uns zudem die
Umtragerei an den Staustufen Ottmarsheim, Fessenheim und Vogelgrün erspart.
Der Althein ist zwischen Basel und Breisach fast ausschliesslich beidseitig von Wald umgeben und Einkäufe sind deshalb nur
in weiterer Entfernung möglich. Wir hatten genügend Vorräte und brauchten daher nicht einzukaufen bis nach Breisach.
In Breisach kommt der Kanal und Altrhein wieder zusammen, sie trennen sich aber noch einige Male stromabwärts. Allerdings ist
es wegen den Klappenwehren abzuraten, nach Breisach den Althrein zu befahren. Es ist einfacher, in die Schiffahrtskanäle einzufahren
und an den Schleusen umzutragen. Die Umtragerei an den Schleusen ist aber auch nicht zu unterschätzen, da die Schleusenkammern sehr lange sind
und die Umtragedistanzen deshalb bedeutend grösser sind als am Hochrhein. Mit unserem vielen Gepäck mussten wir beide zwei bis dreimal hin- und
hergehen um alles umzutragen, was uns jeweils etwa eine Stunde kostete. Die Schleusung an den Oberrheinschleusen ist für Kanus ungewiss und
mal sollte sich vor Abfahrt die Telefonnummern der Schleusen aufschreiben, um dann anrufen und um Erlaubnis fragen zu können, wenn man vor
der Schleuse steht. Wir konnten in Strassburg und Gambsheim hinter einem Schiff in die Schleusenkammer einfahren. An der Iffezheimschleuse
wurde uns jedoch die Schleusung verweigert. Iffezheim ist die letzte Staustufe, danach hat der Rhein keine Wehre mehr.
Wegen den vielen Staustufen, nicht allzugute Fliessgeschwindigkeit und mangelnde Einkaufsmöglichkeiten hat uns die Befahrung des Oberrheins
nicht besonders gefallen. Ab der Staustufe Iffezheim (letzte Staustufe des Rheins) hat sich das geändert und wir waren wieder guten Mutes.
Die Fliessgeschwindigkeit war nach Iffezehim wieder sehr gut. Der Rhein ist ab Iffezheim von der Schiffahrt stark befahren, jedoch ist die
Fahrtrinne mit Bojen gekennzeichnet. Bleibt man rechts der roten bzw. links der grünen Bojenlinie, kann man sich auch mal etwas treiben lassen
und muss nicht andauernd auf die Schiffe achten.
Mittelrhein
Das obere Mittelrheintal zwischen Mainz und Koblenz war für uns der mit Abstand schönste Streckenabschnitt. Der
Rhein windet sich durch das hügelige Schiefergebirge, an zahlreichen Weinbaudörfern und einmaliger Szenerie vorbei.
Schmucke Dörfer, Verpflegungsmöglichkeiten und Campingplätze sind in Hülle und Fülle vorhanden. Wegen der schönen Szenerie des oberen
Mittelrheintals fahren aber auch viele Passagierschiffe, Fähren und Ausflugsboote, und man muss gut auf den Verkehr achten.
Niederrhein
Bei Bonn tritt der Rhein aus dem Schiefergebirge des Mittelrheins aus und das Gelände wird flach. Die
Fliessgeschwindigkeit ist aber immer noch gut. Der Niederrhein ist gesäumt von zahlreichen Industrieanlagen. Uns haben aber all diese Chemiefabriken
und Atomkraftwerke nicht gestört - im Gegenteil, es war interessant, an diesen Anlagen vorbeizufahren, besser als immer nur Wald zu sehen.
Freies Campieren ist kein Problem und geeignete Stellen lassen sich überall mühelos finden. Man muss nur aufpassen, das man nicht in einer
Weide landet. Wir hatten bei Götterswickerham in einer Pferdeweide campiert und mussten dann nochmals abbrechen und ans andere Ufer fahren,
da uns die Pferde regelrecht nachstellten uns uns keine ruhige Minute gönnten.
Rhein in Holland
In Holland teilt sich der Rhein in die verschiedenen Arme und Kanäle des Rheindeltas auf, und ein genaues
studieren der Karte ist unbedingt nötig, damit man den Weg nach Rotterdam findet. Wir sind auf dem Waal (Rhein-Hauptarm) gefahren bis
Werkendam, und sind dort rechts in den Beneden-Merwede richtung Sliedrecht abgebogen. Die Fliessgeschwindigkeit ist auch im Waal noch
recht gut, allerdings nur bis Gorinchem. Danach fliesst der Rhein sehr langsam bis gar nicht mehr und erfordert einige Paddelarbeit, um noch voranzukommen. Je näher man an die Mündung
kommt, desto grösser ist der Einfluss der Gezeiten. Es ist ratsam, die Ebbzeiten abzuwarten, in denen das aufgestaute Wasser des Deltas wieder
ins Meer fliesst. Die Fahrt durch Rotterdam ist spannend aber wegen des Schiffsverkehrs ist höchste Vorsicht geboten. Frachtschiffe gibt es
nicht mehr so viele, da sich diese in die verschiedenen Arme und Kanäle verteilen, allerdings hat es viele Fähren, Waterbus und Ausflugsschiffe.
Kurz nach dem Rheinkilometer 1000 fährt man unter der 30 Meter breiten Erasmusbrücke durch, die letzte Brücke über den Rhein.
Danach folgt ein Hafen am anderen, bis man am Europort vorbeifährt, der mit Abstand grösste Seehafen Europas. Wenn man sich schön an das
rechtseitige Ufer hält, sind die Schiffe keine Gefahr, aber es kann einem schon etwas mulmig werden, wenn man im Kajak sitzt und ein
Stahlkoloss vorbeifährt. Schliesslich sind dies nicht mehr die flachen Flusschiffe, sondern Hochseefrachter.